Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bestand die belgische Region Kempen aus weitläufiger Heidelandschaft, die sich von der Schelde im Westen bis zur Maas im Osten und Norden  erstreckte. Heutzutage sind lediglich noch 15 % dieses Heidelands sowohl in Belgien als auch in den Niederlanden vorhanden. Das Projektgebiet heiβt Visbeeektal und ist am süd-östlichen Rand der ehemaligen Heidelandschaft gelegen, ein Gebiets, das durch unzählige Sümpfe geprägt ist.

Der kleine Bach Visbeek flieβt vom Rand des kampinen Plateaus nach Süden in den Fluss Kleine Nete, der im Tal des Flusses Schelde liegt. Als Folge dieser Lage befindet sich im Visbeektal viel Sickerwasser vom kampinen Plateau. Mineralien- und basenreiches Sickerwasser kommt aufgrund der kalkhaltigen Substate in tieferen Erdschichten ebenfalls vor.

Während der Blütezeit der traditionellen Heidebewirtschtung im 18. Jahrhunderts, war das gesamte Tal von Heuwiesen auf feuchtem bis nassem Grund bedeckt. Am Ende des 19. Und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ging diese Landschaft vorwiegend an die internsive Land- und Forstwirtschaft verloren. Die trockensten und nährstoffärmsten Böden, z. B. Inlanddünen, wurden aufgeforstet mit Koniferenpflanzungen. Die Heuwiesen wurden verlassen und Büsche und Bäume nahmen Überhand. Einige der ehemaligen Wiesen verwandelten sich jedoch auch in wertvolle Auenwälder mit Erlen und Weiden.

Diese Entwicklung führte zu einem drastischen Verlust früheren Heidelands, oligo-mesotrophen Sumpflands und artenreichen Heuwiesen. Momentan sind nur noch kleine Überbleibsel dieser Lebensräume im Projektgebiet vorhanden. Konfrontiert mit diesem signifikanten Rückgang, entschieden die Ortsansässige, in Aktion zu treten, um eine weitere Verschlechterung des ökologischen Werts im Projektgebiet zu verhindern. Eine neue lokale Freiwilligengruppe von Natuurpunt wurde gegründet. Heute sind die lokalen Freiwilligen, unterstützt von unserer Organisation bereits seit mehr als 20 Jahren aktiv, um das Visbeektal wiederherzustellen. Alle ihre Bemühungen haben auch schlussendlich zu diesem LIFE + Projekt geführt.

Durch die auβergewöhnlichen abiotischen Gegebenheiten im Visbeektal finden sich viele gefährdete Annex I Habitate und die damit verbundenen seltenen und gefährdeten Arten. Unter ihnen sind die wichtigsten Molinia Wiesen (6410), Auenwälder (91E0), europäische trockene Heide (4030), Inlanddünen mit offenem Corynephorus und Agrostis Grasland (2330) und nordatlantische feuchte Heide (4010). Des Weiteren sind die Anwesendheit oligotrophen und mesotrophen stehenden Gewässern (3130) und oligotrophen Gewässern mit sehr wenigen Mineralien auf Sandgründen (3110) von nationaler und internationaler Bedeutung. Ohne Zweifel sind alle diese Lebensräume selten und gefährdet in der gesamten Europäischen Union, vor allem in den dicht besiedelten Gebieten Tieflandeuropas.

Die groβe Vielfalt von Annex I Habitaten wird ebenfalls wiedergespiegelt durch die Anwesendheit mehrerer seltener und gefährdeter Arten der Annex Habitatsrichtlinie. Z. B. der Fisch Cobitis taenia, aber auch Amphibien wie Rana lessonae (Annex IV Habitatsrichtlinie). 

Wie bereits erwähnt, ist die Fläche der Annex I Habitate im Projektgebiet eher klein. Des Weitern stehen diese Lebensräume unter groβem Druck. Dies ist das Ergebnis der Bedrohung von mehreren Seiten und hat zu einer dramatischen Abnahme der Zieltabitate geführt, vor allem in den letzten Jahrzehnten:

  • Umwandlung von Lebensräumen zu Gebieten intensiver Landwirtschaft
  • Nährstoffanreicherung, vor Allem Ablagerung von Stickstoff durch die Intensivhaltung von Vieh
  • Brachliegen der Heuwiesen
  • Überhandnahme von Büschen und Bäumen, die zu einem Verlust von Annex I Habitaten geführt hat
  • Aufforstung wertvoller Lebensräume
  • Trockenlegen und Angleichen des natürlichen Reliefs
  • Verlust von Lebensräumen und deren Störung z. B. durch Anlegen künstlicher Teiche
  • Invasive exotische Arten, die die Entwicklung von Annex I Habitaten verhindern.

Diese Bedrohungen haben zu einer extremen Fragmentierung der bestehenden Annnex I Habitate geführt und zur Verringerung der Biodiversität. Tatsächlich ist Fragmentierung die gröβte Bedrohung für den ökologischen Wert des Visbeektals. Diese Fragmentierung wurde nicht nur lokal beobachtet, sondern auch in der gesamten Region Kampen. Besonders die Heidelandschaften (4030, 2330 und 4010) sind ernsthaft betroffen. Mehrere Invertebraten, die typisch für diese Lebensräume sind, sind bereits ausgestorben oder können nur in geringer Zahl überleben.

Dank der Bemühungen unserer Organisation Natuurpunt konnte das Aussterben von Vipera berus (nur noch zwei Populationen in Flandern) im Projektgebiet verhindert werden. Tatsächlich sind die Bemühungen von Natuurpunt der Grund, warum Lebensräume wie Molinia Wiesen (6410), Auenwälder (91E0) und oligo- und mesotrophe stehende Gewässer (3130) noch immer im pSCI vorhanden sind. In Zusammenarbeit mit unserer Organisation, hat die Gemeinde Lille mehrere Projekte zur Wiederherstellung von europäischer trockener Heide (4030) und nordartlantischer trockener Heide (4010) mit der Kreuzotter als Schlüsselart durchgeführt.

Nach diesem Zeitraum, in dem wir die wertvollen Überbleibsel durch intensive Pflege geschützt haben, möchte Natuurpunt nun einen wichtigen Schritt machen, um die Annex I Habitate im pSCI zu schützen und wiederherzustellen.

Ziele

Das zentrale Ziel dieses LIFE + Projekts ist die groβflächige Wiederherstellung der Annex I Lebensräume im Visbeektal. Um dies zu erreichen, werden folgende konkrete Ziele angestrebt:

  • Signifikante Vergröβerung der Molinia Wiesen (6410) durch groβflächige Habitatwiederherstellung. Gegenwärtig sind lediglich noch 1,5 ha dieses seltenen Lebensraums im pSCI vorhanden. Mit den geplanten Maβnahmen des LIFE + Projekts werden wir das Gebiet auf 14 ha vergröβern.
  • Signifikante Ausweitung aller Heidelebensräume, insberondere europäische trockene Heide (4030), Inlanddünen mit offenem Corynephorus und Agrostis Grasland (2330) und nordatlantische feuchte Heide (4010). Gegenwärtig sind nur noch 3 ha im pSCI vorhanden. Das LIFE + Projekt strebt eine Ausweitung auf 37 ha an.
  • Vergröβerung und Verbesserung der Qualität von Sumpfgebieten, insbesondere oligo- und mesotrophe stehende Gewässer (3130) und oligotrophen Gewässern mit sehr wenigen Mineralien auf Sandgründen (3110). Das Ziel ist, die Fläche dieser Lebensräume um 4 ha zu vergröβern.
  • Vergröβerung und Verbesserung der Qualität von Auenwäldern (91E0). Die Wiederherstellung von 7 ha Auenwald wird durch das Entfernen von (Pappel-) Pflanzungen und die Entwicklung von neuen Wäldern aus Wiesen und Ackern erreicht.

Für alle diese Annex I Habitate streben wir einen nachhaltigen Plan für Begrasung und maschinelle Bewirtschaftung mit einer starken Einbeziehung der lokalen Freiwilligengruppe an.

Aufgrund seiner Lage im dicht besiedelten Flandern, spielt das Projektgebiet auch eine wichtige Rolle für die Bevölkerung. Ein deutlicher Anstieg des sozioökonomischen Potenzials dieses Natura 2000 Gebiets durch optimale Nutzung der Möglichkeiten für naturnahe Erholung, Einbeziehen von Freiwilligen in die Naturplanung, Information der Ortsansässigen und Besucher über das Projekt und Knüpfen neuer Partnerschaften ist daher eine weitere wichtige Maβnahme dieses LIFE Projekts.

Maβnahmen und verwendete Mittel

Maβnahmen zur Vorbereitung

Maβnahmen zur Vorbereitung sind essentiell um hochwertige Ergebnisse durch dieses Projekt zu erreichen. Zunächst brauchen wir eine bessere wissenschaftliche Rahmenarbeit, auf der wir unsere Entscheidung begründen können, zwischen Molinia Wiesen (6410) und Auenwäldern (91E0) zu wählen. Beide Annex I Habitate können im Visbeektal unter den gleichen abiotischen Bedingungen auftreten.

Beide Lebensräume sind gefährdet und selten in der EU, daher ist eine gut abgewogene Entscheidung zwischen ihnen unerlässlich. Eine neue Studie soll anzeigen, wo im Projektgebiet die Besten Bedingungen herrschen, um die Lebensräume wierderherzustellen.

Des Weiteren sind folgende Vorbereitungsmaβnahmen geplant:

  • Entwicklung ganzheitlicher Schutzpläne für das erworbene Land, die auf einer detaillierten Vegetationskarte und Feldforschung begründet sind
  • Feldforschung im Vorfeld, um eventuelle Verschmutzung des Bodens aufzuspüren
  • Feldforschung im Vorfeld, um das Vorhandensein von Phosphor im Bodens zu bestimmen (was die Wiederherstellung von bestimmten Annex I Lebensräumen verhindert)
  • Schreiben detaillierter Pläne für die effiziente und effektive Habitatwiederherstellung
  • Entwicklung eines neuen Plans für das touristische und sozioökonomische Potential der Projektgebiets

Landankauf

Es werden 45 ha im Projektgebiet angekauft, um die großräumige Habitatwiederherstellung durch bestimmte kurzzeitige Maßnahmen einzuleiten, Zielhabitate zu schützen und zu verbinden, einen besseren Schutzstatus für diese Annex I Habitate zu erreichen und ausreichend große Populationen der Zielarten zu schaffen. Aufgrund der hochgradigen Aufsplitterung der Lebensräume, ist ohne den Ankauf von Land die Wiederherstellung der Annex I Habitate nicht möglich.

Konkrete Schutzmaβnahmen

  • Großflächige Wiederherstellung (120 ha) der Annex I Zielhabitate im Projektgebiet, vor allem auf dem angekauften Land, welches auch geeignete Lebensräume für zahlreiche Arten der Habitatsrichtline bilden wird.
  • Wiederherstllung von 10 ha Moliniawiesen (6410) an den Standorten mit dem höchsten Potential für diesen Lebensraum basiert auf unserer wissenschaftlichen Studie im Vorfeld
  • Das Beginnen mit der essentiellen Planung für die Wiederheststellungs von Molinia Wiesen und anderer semi-natürlicher Graslandhabitate
  • Ankauf von Spezialausrüstung, vor allem für undere zwei lokalen Freiwilligengruppen, die bereits mehr als 20 Jahre Erfahrung haben in der nachhaltigen Planung fut die Annex I Habitate im Visbeektal
  • Entfernen von Pinienpflanzungen und Mähen auf 10 ha für die Wiederherstellung verschiedener Heidetypen und verbundener Lebensräume
  • Abgraben der nährstoffreichen obersten Bodenschicht auf ehemaligen Ackern und intensiv genutzten Weiden, um 14 ha Heideland wiederherzustellen
  • Wiederherstellung mehrerer oligo-mesotropher Sumpfgebiete auf 4
  • Wiederherstellung von Auenwald durch Entfernen von (Pappel) Pflanzungen auf 2 ha
  • Entwicklung von 5 ha neuer Auenwälder aus intenviv genutzten Weiden und Ackern
  • Entfernen invasiver exotischer Arten auf insgesamt 30 ha in Heideland und Waldgebieten
  • eine neue Umzäunung auf einer Fläche von 26 ha (circa 9 km) des Projektgebiets, um eine angemessene Begrasungsplanung zu gewährleisten
  • Schaffen von drei kleinräumigen Komposteinheiten, um wertlose Überbleibsel von Schutzmaßnahmen in ökonimisch wertvollen Kompost zu verwandeln.
  • Wiederherstellung von 13 ha Heideland durch die Gemeinde Lille auf ihren eigenen Waldgrundstücken im pSCI

Öffentliches Bewusstsein und Verbreitung der Ergebnisse

  •  Erarbeitung und Ausführung einer breiten Palette an Maßnahmen um die Unterstützung für Natura 2000 zu erhöhen, das touristische und sozioökonomische Potential des Gebiets und des Life+ Projekts mit  Broschüren, Informationen für die allgemeine Öffentlichkeit und neue Informationsforen zu bewerben, das Entwickeln neuer Pfade, Schreiben eins Layman’s Reports, die Veröffentlichung mehrerer Artikel in Mitgliederzeitschriften und das Organisieren öffentlicher Veranstaltungen.
  • Organisation mehrerer Veranstaltungen zum Austausch von Wissen und Erfahrungen mit der Bevölkerung und verschiedenen Behörden und die Vernetzung mit anderen Life Projekten. Es sollen nicht ausschließlich technische Erfahrungen über die Habitatwiederherstellung ausgetauscht werden, sondern unser Projekt soll auch durch das Einbeziehen Ortsansässiger und Freiwilliger profitieren
  • Evaluieren der Ergebnisse unserer Maßnahmen mit einem gutstrukturierten Monitoringplan. Am Ende des Projekts wird sich ein ‘after Life Schutzplan’ mit den Langzeitperspektiven des pSCI Gebiets beschäftigen, um zu verhindern, dass die Erfolge des Life+ Projekts wieder verlorengehen

Erwartete Ergebnisse

  • Großflächige Wiederherstellung und nachhaltige Planung der folgenden Annex I Habitate: Molinia Wiesen (6410), Auenwälder (91E0), europäische trockene Heide (4030), Inlanddünen mit offenem Corynephorus und Agrostis Grasland (2330) und nordatlantische feuchte Heide (4010). Des Weiteren geben die Anwesendheit oligotrophen und mesotrophen stehenden Gewässern (3130) und oligotrophen Gewässern mit sehr wenigen Mineralien auf Sandgründen (3110)
  • Das Anhalten des Verlusts an Biodiversität im Projektgebiet als Ergebnis der extremen Fragmentierung der Lebensräume. Die Angetrebte Vergrößerung aller Annex I Habitate wird ausreichend sein für die Wiederherstellung und den Schutz von Zielhabitaten und -arten. Des Weiteren erwarten wir die Wiedereinführung von Arten, die momentan im Projektgebiet ausgestorben sind und auch ein verbesserter Schutzstatus für die Zielhabitate und –arten wird erreicht werden.
  • Die Wiederherstellung von Lebensräumen wird die Populationen von Annex II und IV Arten der Habitatsrichtlinie wie Luronium natans und Rana lessonae vergröβern.
  • Bessere Besuchereinrichtungen und mehr Informationen (Broschüren, Flyer) über das Gebiet, eine bessere sozioökonomische Unterstützung und Einbeziehen der Ortsansässigen und anderer Interessengruppen des Natura 2000 Gebiets und des Life+ Projekts
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